„Creating Value“ im Mittelstand
„Creating Value“ im Mittelstand – Warum das Value Proposition Canvas auch für etablierte Firmen unerlässlich ist
Wer sich schon einmal mit Innovationsmethoden beschäftigt hat, weiß, dass „Creating Value“ – also „Mehrwert schaffen“ zentraler Ausgangspunkt für die Entwicklung neuer Ideen, Produkte oder Geschäftsmodelle ist. Der Grund dafür liegt auf der Hand, wenn man bedenkt, welche Produkte man selbst genial findet: Es sind die, die ein wahres Bedürfnis befriedigen.
Ein Werkzeug, mit dem man herausfinden kann, wie man Mehrwert für seine Kunden schafft, ist das Value Proposition Canvas (VPC). Obwohl das VPC aus dem Design Thinking Strategiebuch für Startups stammt, ist es auch für etablierte Unternehmen ein mächtiges Werkzeug, mit dem sich nicht nur neue Ideen entwickeln, sondern auch bestehende Geschäftsmodelle oder Produkte iterieren lassen.
Der Kunde steht im Mittelpunkt
So wie das Kundenverhalten ist auch das Kundenprofil nie statisch; es wächst und wandelt sich mit der Zeit. Die gewünschten Güter und Dienstleistungen von gestern kommen nicht unbedingt auch gut in der Zukunft an. Es kann sein, dass die aktuellen Angebote für die Kunden nicht optimal geeignet sind oder, dass sie irgendwann nicht mehr befriedigend genug sind. Wer Markterfolg sichern und ausbauen will, muss sich ständig mit den Bedürfnissen der Kunden auseinandersetzen und diese untersuchen. Empathie ist der Schlüssel zum nachhaltigen Erfolg!
Das Value Proposition Canvas – Schritt für Schritt zu mehr Empathie
Ohne den Bedarf und ein holistisches Verständnis der eigenen Kunden abzudecken und zu haben, wird jedes großartige Produkt scheitern. Bewertet der Kunde das Angebot als wertlos, so wird es nicht gekauft. Im schlimmsten Fall geht er zur Konkurrenz. Aber wie schlägt man eine Brücke zwischen Empathie, Innovation, den Einblicken der Kunden und einer erfolgreichen Vermarktung des Produkts? Diese Antwort liefert das Value Proposition Canvas in 3 leichten Schritten:
Schritt 1: Das Value Proposition Canvas (VPC) ausfüllen
Im ersten Schritt sollte das VPC entsprechend eigenen Einschätzungen und Vorstellungen ausgefüllt werden. Das VPC ist in zwei Bereichen und beide Bereiche wiederum in drei Bereichen unterteilt. Die rechte Seite geht auf die Kunden und dessen Bedürfnisse ein (Customer Segment), während auf der linken Seite Leistungen, die Kundenbedürfnisse adressieren (Value Proposition), dargelegt werden.
Customer Segment
Die Customer Segment Seite bezieht sich immer nur auf eine Kundengruppe. Für ein besseres Verständnis der jeweiligen Kundengruppe ist es deshalb zu raten, für jede Persona ein neues VPC anzulegen. Dabei wird die Analyse jeder Zielgruppe in drei Bereichen unterteilt: Pains, Gains, Customer Jobs.
- Pains: Vor welchen Herausforderungen stellt sich der Kunde, die ihm von seiner Zielerreichung abhalten (können)?
- Gains: Was hat der Kunde durch das Erreichen seines Ziels zu gewinnen? Welche positiven Erfahrungen und Wünsche erhofft sich der Kunde zu erreichen?
- Customer Jobs: Welche Bedürfnisse/Probleme kann der Kunde durch das Produkt befriedigen/ lösen?
Value Proposition
Die Value Proposition Seite fokussiert sich auf die Produkteigenschaften, Funktionalität und Vorteile, die Kunden anziehen und dessen Bedürfnisse befriedigen. Auch diese Seite wird in drei Bereichen aufgeteilt und bezieht sich jeweils auf eines der Bereiche der Customer Segment Seite: Pain Relievers, Gain Creators, Products & Services.
- Pain Relievers: Wie können die Pains des Kunden durch das Produkt gelindert werden? Dabei sollen sich die Punkte auf die Pains
- Gain Creators: Wie kann das Produkt einen Mehrwert für den Kunden schaffen oder ihm verhelfen seine Ziele zu erreichen? Diese Punkte docken unmittelbar an den Gains
- Products & Services: Was für Produkte, Services und Features werden angeboten, um den Kunden dabei zu helfen seine Ziele zu erreichen?
Schritt 2: Customer Segment und Value Proposition validieren
Um bedeutsamen Wert für seine Kunden schaffen zu können, reicht es nicht das Kundenprofil oder -segment bloß einzuschätzen, sondern man muss es faktenbasiert kennen. Dieses Wissen erlangt man optimal durch qualitative Befragungen in einer offenen Umgebung. Befragte sollen ihre Meinungen und Gedanken frei kommunizieren können, ohne suggerierende Fragen gestellt zu bekommen. Folgende Fragen sollten mit dem Interview beantwortet werden:
„Wer ist der Kunde? Wo drückt quasi der Schuh?“ – Dr. Tobias Strobl
- Was sind spezifischen Werte der Kunden?
- Was sind deren Bedürfnisse?
- Was können die Kunden mit meiner Lösung erreichen?
- Welche zusätzlichen Probleme hätten sie gerne aufgelöst?
- Welche Besonderheiten mögen sie dennoch gewinnen?
Wird der Kunde durch das Interview besser verstanden, können Sie von dieser Perspektive aus eine verbesserte Einschätzung abgeben, wie Ihre Lösung einen Wert für den Kunden generiert. Welche Leistungen werden erfüllt? Gibt es andere Vorteile, die aus der Nutzung der Lösung resultieren oder werden Nachteile durch die Lösung abgeschwächt?
Schritt 3: Die Anpassung
Nachdem die Kundenbefragung durchgeführt wurde, kann mit den gewonnenen Informationen das VPC angepasst oder erneut ausgefüllt werden. Silicon Valley Innovationsexperte und Innovation Camp Mentor, Todd Morrill, sagt, „Den Kunden ist es egal, was genau die Features eurer Technologie sind, ihnen ist es wichtig, dass die Technologie ihre Probleme löst.“ Erfüllen die Eigenschaften Ihrer Lösung die obenerwähnten Bedürfnisse? Gewinnen sie dadurch zusätzliche Vorteile, oder lösen sie eher andere Probleme aus?
Kann Ihre Lösung die Kundenbedürfnisse erfüllen, haben Sie ein wertvolles Produkt zu vermarkten, was zum spezifischen Kunden (oder Segment) genau passt, und gehören zu den Minderheiten, die es beim ersten Anlauf geschafft haben.
‚Learning from Failure‘
Gehören Sie jedoch der Mehrheit an, die unter die Kategorie des vom Valley geliebten ‚Scheiterns‘ fällt, raten wir Ihnen wieder bei Schritt 1 anzufangen. Achten Sie dabei auf folgende Punkte:
- 90/10. Das Gespräch geht nur um die Bedürfnisse und Wünsche der Kunden. Lassen Sie den Kunden 90 % der Zeit reden und benutzen Sie die 10 %, um weitere Details zu hinterfragen. Ein Beispiel wäre: „Können Sie ein bisschen mehr von ___ erzählen?“
- Gehen Sie auf Empathie zurück. Versuchen Sie die Menschen so zu verstehen, wie Sie sich selbst verstanden fühlen wollen.
- Bleiben Sie bescheiden. Jede gescheiterte Hypothese wird Sie ein Stück näher an ein besser geeignetes Produkt bringen.
„Wechsel euer Mindset von ‚ich glaube XYZ‘ auf ‚lasst uns schauen, wie das scheitern könnte‘“. (Todd Morrill)
Die Kundenzentralität spielt eine entscheidende Rolle für die Weiterentwicklung jedes Unternehmens. Wahre Innovation für Kunden bedeutet ständige Aufmerksamkeit und Änderung, wodurch sich die Hypothesen durch die Ansammlung von Informationen andauernd iterieren. Wenn der Fokus auf ‚Creating Value‘ liegt, lassen Sie Kunden wissen, wie wichtig sie sind — nicht ihr Geschäft. Nur das Unternehmen, das wirklich kundenorientiert operiert, kann ein erfolgreiches Geschäftsmodell aufbauen und kompetenzfähig bleiben. Dabei ist das Value Proposition Canvas ein sehr hilfreiches Werkzeug, Ihnen auf Ihrem Weg der Entdeckung und Verständnis des Kunden zu begleiten und zu unterstützen.
Text von Larrissa Stenglein und Yvonne Wang, GACC West