Warum das Silicon Valley kein Hype ist

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Unsere Teilnehmerin Franziska Roell berichtet in einem Beitrag im Ulmer IHK Magazin über ihre Erfahrungen und Erlebnisse während des InnoCamps BW im Mai 2018.

Ins Silicon Valley reisen, seine Funktionsweise kennenlernen und Geschäftskontakte knüpfen diese Möglichkeit bietet das InnovationCamp BW baden-württembergischen Unternehmen und Forschungseinrichtungen seit diesem Jahr. Franziska Roell, Trainee bei der Ulmer ZwickRoell GmbH & Co. KG, hat mit ihrem Vater Jan Stefan Roell, Geschäftsführer des Unternehmens und IHK-Präsident, an der ersten Runde des vom baden-württembergischen Wirtschaftsministerium initiierten Programms teilgenommen. Warum das Silicon Valley kein Hype ist, erzählt sie im Interview.

Warum haben Sie am InnovationCamp BW teilgenommen?

Wir bearbeiten das Thema Innovation gerade bei ZwickRoell. Wir wollen herausfinden, wie wir weiterhin innovativ bleiben. Wir veranstalten beispielsweise Bootcamps, in denen Ideen in einer Woche intensiv weiterentwickelt werden. Das inspiriert uns und zeigt Wege auf, wie wir Innovationen besser leben können. Jedoch haben wir vorher, beim Generieren der Ideen, noch keinen super Prozess. Nach den Bootcamps fehlt auch ein Schritt, um an den Entwicklungsprozess im Haus anzuknüpfen. Daneben hat uns interessiert, wie die Digitalisierung im Silicon Valley gelebt wird, wie man Prozesse geschickt digitalisieren kann – oder eben nicht. Ein Thema haben wir vor Ort ganz konkret bearbeitet: die Robotik. In diesem Bereich tut sich gerade sehr viel, insbesondere bei der kollaborierenden Robotik und der Leichtbaurobotik. Dort wollten wir einen Schritt weiterkommen. Der Hauptanlass für unseren Besuch war jedoch, dass wir verstehen wollen, warum die Unternehmen im Silicon Valley so innovativ sind, warum dort so viele disruptive Unternehmen entstehen. Wir wollten einen Einblick bekommen – und das schnell und tiefgehend: Wie schaffen es Unternehmen, innovativ zu bleiben? Was ist die Unternehmenskultur? Wie ist die Investmentstrategie? Und das bietet das Programm auch an: Gerade in der ersten Woche vor Ort bekommt man ein gutes Gespür für das dortige Ökosystem aus Unis, Unternehmen, Startups, Investoren und weiteren Akteuren. Dadurch, dass wir ein Thema – die Robotik – konkret bearbeiten konnten, konnten wir tief in die Thematik einsteigen.

Wie lief Ihr Aufenthalt ab?

Ich war drei Wochen vor Ort, mein Vater zwei. Die erste Woche haben wir gemeinsam mit der Gruppe verbracht und die Akteure des Ökosystems kennengelernt. Wir waren immer direkt mit Personen in Kontakt, die auch aktiv sind: Wir haben Geschäftsführer und Professoren getroffen, die sich viel Zeit genommen haben. In der Gruppe sind wir von Termin zu Termin gehuscht, es war eine sehr aktive Woche. Die einzelnen Firmen haben sich uns vorgestellt und wir konnten mit ihnen Themen diskutieren. Wir hatten auch ein Coaching von einem Professor aus Berkeley. Es ging darum, wie man sich in ein Netzwerk reinfindet, wie man Termine ausmacht und wie man die Termine durchführt, um das meiste für sich rauszuholen. In der zweiten Woche haben mein Vater und ich selbst losgelegt und Termine wahrgenommen, die wir selbst ausgemacht hatten oder die für uns vereinbart wurden. In der Gruppe hat man sich alle zwei bis drei Tage wieder getroffen, oder auch vereinzelt im CoWorking Space, den man dort nutzen kann. Wir haben in dieser Woche Startups getroffen, die im Bereich Robotik unterwegs sind, aber auch einen Investor und einen Rechtsanwalt, und wir haben uns weitergehend informiert. Ich habe das in der dritten Woche alleine fortgeführt. Die Robotik ist mein Projekt bei ZwickRoell, das ich weiter betreue. Eine Firma, die wir im Silicon Valley besucht haben, war übrigens schon bei uns zu Besuch.

 

Welche Eindrücke haben Sie gewonnen?

Ein ganz großer Punkt betrifft das Thema Hard- und Software: Der Standort Deutschland hat auf jeden Fall viel Potenzial, was Technik und Industrie 4.0 betrifft. Deutschland hat hier viel zu bieten, ist allerdings im Zugzwang, in diesem Bereich nicht auch noch abgehängt zu werden – wie schon bei der Software. Das Ökosystem ist kein Hype: Die Welt dort dreht sich schneller, es wird viel getan, man will voneinander lernen und vorankommen und bietet sich gegenseitige Hilfe und tauscht sich aus. Es ist ein aktives Umfeld. Die Unis pushen die Studenten regelrecht zur Selbstständigkeit, es gibt quasi Kurse zum Thema „Wie mache ich mich selbstständig?“. Man tut sich etwas schwer als deutscher Ingenieur, der perfekte Produkte mit vielen Funktionen liefern will. Was wir gelernt haben, ist, den Kunden mehr einzubeziehen. Man sollte ganz simpel an das Problem des Kunden rangehen und es punktuell bearbeiten. Wenn der Kunde das eierlegende Huhn will, sollte man nicht die eierlegende Wollmilchsau suchen. Rauszufinden, was der Kunde will, ist ganz wichtig.

Auch sollte man den Mut haben, mit Prototypen zu arbeiten – eventuell mit einem vertrauten Kundenkreis, damit das Image nicht leidet. Es geht darum, Probleme fokussiert zu bearbeiten und sie immer wieder zu hinterfragen.

Hat sich die Reise für Sie und Ihr Unternehmen gelohnt?

Es war super spannend, gerade weil ich mit meinem Vater dort war. Abends konnten wir uns über den Tag austauschen und haben festgestellt, dass bei ihm tagsüber oft andere Sachen angekommen sind als bei mir. Das ist anders, als den Trip allein zu machen und zuhause nur darüber zu berichten.

Im Fall Robotik hat sich die Reise gelohnt, um einen Einblick in das Feld zu bekommen. Erstaunlich ist, dass im Silicon Valley in Sachen Hardware nicht so viel passiert, aber bei der Software sind die Unternehmen weit vorne. Deshalb haben wir uns auch schwer getan, Roboterfirmen zu finden. Vertreten sind vermehrt Firmen, die zum Beispiel Datenverarbeitungssoftware entwickeln. Die Firma, die bei uns zu Besuch war, ist jedoch ein Hersteller. Ich habe das Gefühl, dass die dortigen Investoren nur in Software und weniger in Hardware investieren wollen. Denn Software ist schneller skalierbar.

Würden Sie anderen Unternehmen empfehlen, am Programm teilzunehmen?

Definitiv, das Programm ist auf jeden Fall empfehlenswert! Wenn jemand gehen will, rate ich aber dazu, auf jeden Fall zu zweit zu gehen. Sonst ist es überwältigend, man muss einfach viel verarbeiten. Auch in den Terminen ist es sinnvoll zu zweit zu sein: Der eine stellt die Fragen und der andere macht sich Notizen.

Wenn man noch nicht da war, macht man sich keine Vorstellungen davon, wie das Silicon Valley ist. Man muss sich nicht alles abgucken, das will man ja auch gar nicht. Aber es motiviert, bringt eine Fokussierung auf die wichtigen Dinge und man kann ein paar Sachen angepasst übertragen. Das ist sehr spannend. Gerade für uns ist es sehr spannend, über Zukunftsthemen diskutieren zu können, weil wir uns im Generationenwechsel befinden.

Interview: Lorena Grüner; das Interview ist zuerst im IHK Magazin 10/2018 der IHK Ulm erschienen.